Mein Leben war nicht immer leicht, aber dennoch insgesamt abwechslungsreich und befriedigend:
Nach der Vertreibung aus der ehemaligen Tschechoslowakei im Kleinkindalter lebte ich zusammen mit meiner Mutter und der jüngeren Schwester etliche Jahre in einer kleinen Dorfgemeinde im sog. Bauland in BW. Dort besuchte ich die zweiklassige Schule bis mein Vater aus russischer Gefangenschaft entlassen wurde und bei der Polizei in Karlsruhe eine Anstellung fand. Dem Zuspruch einer Volksschullehrerin in Karlsruhe war es zu verdanken, dass ich trotz zweijähriger Überalterung ein Gymnasium besuchen durfte und später auch Abitur machte.
Was waren die prägenden Erfahrungen in meiner Kindheit und Jugend?
Das ärmliche Leben der Familie fern der Heimat in einer eher abweisenden sozialen Umgebung, häufige Trennung von der Mutter, verbunden mit der Sorge, sie könnte sterben (Tuberkulose), Entfremdung von der Verwandtschaft wegen schwerer Erreichbarkeit, regelmäßig auftretende Migränekopfschmerzen von früher Kindheit bis in das vierte Lebensjahrzehnt.
Aber es gab auch Positives: Den Duft der Stoppelfelder, fliegende Junggänse, das Gefühl etwas zur Verbesserung des Familienlebens beitragen zu können und letztlich die Überzeugung etwas fertig zu bringen, wenn man sich anstrengt und durchhält. So viel zu meinem frühen Innenleben.
Inzwischen bin ich über 50 Jahre verheiratet, habe zwei Söhne und drei Enkelkinder, die aber leider weit weg wohnen. Deshalb pflege ich ein Hobby, bestehend aus einer Koppelwiese mit Stall und drei Zwergeseln.
Über meine berufliche Laufbahn ist eigentlich schnell berichtet: Ich war bis zu meinem Eintritt in den Ruhestand (2005) vollzeitlich als Lehrerin im Schuldienst tätig. Dann folgte eine schöpferische Pause mit dem Besuch von Weiterbildungskursen in den Bereichen "Tiergestützte Pädagogik und Therapie" (Ev. Hochschule Freiburg), "Gesundheits- und Mentaltraining" (Prof. Dr. Franz Decker) und ein Vollzeit-Studium zur "Diplom-Gerontologin" (Uni Heidelberg, 2012).
Seit 2012 führe ich dieses Beratungsunternehmen als Kleingewerbe in Teilzeit.
Betrachte ich meine berufliche Laufbahn genauer, so zeigt sich, dass ich unbeabsichtigt dem Weg des lebenslangen Lernens gefolgt bin, denn als junge Karlsruherin aus ärmlichen Verhältnissen hatte man nach dem Abitur nur wenige angemessene Berufsperspektiven: Ausbildung in einer Behörde, einer Bank oder Studium an der neu gegründeten Pädagogischen Hochschule. Ich wollte zwar niemals Lehrerin werden, doch war das Studium kostenlos, für mich also ein verlockendes Angebot.
So nahm die Entwicklung ihren Lauf: Studium, Vorbereitungsdienst, 2. Volksschullehrerprüfung, 7 Jahre Schuldienst. Dann kam die Krise: Ich wollte endlich lernen, wie man einen guten Unterricht gestaltet und plant.
Nach einer Zeit des ratlosen Suchens kam mir der Zufall zu Hilfe. Das Land BW benötigte Sonderschullehrer mit der Fachrichtung Lernbehindertenpädagogik. Ich meldete mich für das Studium in der Hoffnung hier zu lernen, wie man einen Unterricht gestaltet, bei dem die Schüler das erfolgreich lernen, was sie sollen. Und tatsächlich, das Schulamt zeigte Interesse und versetzte mich probeweise an eine Förderschule. Dies wurde die härteste Pädagogen-Episode meines Lebens. Zum Glück ordneten sich die Verhältnisse im Unterricht mit der Zeit, und als der Schulrat seinen entscheidenden Besuch durchführte, reichte es für die Zulassung zum Sonderpädagogikstudium an der Uni Heidelberg mit den Richtungen Lernbehindertenpädagogik im Haupt- und Sprachbehindertenpädagogik im Nebenfach.
Das Studium brachte viel Interessantes zum Lernen allgemein. Ich beschäftigte mich schwerpunktmäßig in den Bereichen Psychologie mit Lerntheorien, Testdiagnostik und Statistik, im Fach Sprachbehindertenpädagogik mit der Sprechfehlerkorrektur, einem schon damals recht gut durchdachten Arbeitsfeld, das mir für das Lesen- und Schreibenlernen unter erschwerten Bedingungen wichtig erschien. Allerdings existierten all diese interessanten Dinge in Bezug auf die Frage, wie man einen interessanten Unterricht plant, in einem unzusammenhängenden Zustand, wie Bausteine und Mörtel ohne Bauplan. Daran änderten auch schulpraktische Übungen und Praktikas wenig.
Und wieder kam der Zufall zu Hilfe, zu einem Zeitpunkt, an dem ich es nicht erwartet hätte: Während einer Psychologie-Übung referierte der Professor zum Thema Lernmotivation im Unterricht. Während einer Phase der geistigen Ermüdung, wie sie beim Zuhören vorkommen kann, vernahm ich den Satz, man müsse bei den Schülern eine "kognitive Dissonanz" erzeugen. Plötzlich war ich wieder hell wach: Eine kognitive Dissonanz erzeugen, das war die Lösung meines Unterrichtsproblems. Ohne dieses auf Leon Festinger (1957) zurückgehende sozialpädagogische Konzept genauer zu kennen, wendete ich diese Aufforderung auf mein nächstes praktisches Unterrichtsprojekt an, und es funktionierte: Die Schüler folgten interessiert meinem Unterricht und waren sprachlich außergewöhnlich aktiv. Sehr hilfreich war, dass sich diese Formel als gedankliches Gerüst eignete, in welches man alle pädagogischen Bausteine zur Planung eines guten Unterrichts einhängen konnte, und das sich bei genauerem Nachdenken sogar als Grundlage zur Unterrichtsbeurteilung sowie zur pädagogischen Diagnostik und Therapie eignete.
Mit dieser Erkenntnis im Gepäck konnte ich nach bestandener Sonderschullehrerprüfung zuversichtlich an meinen Förderschulplatz zurückkehren.
Erst Jahre später entnahm ich der sozialpsychologischen Fachliteratur, dass es sich bei dem Konzept der "kognitiven Dissonanz" um ein sog. universelles Balance-Konzept handelt, das beschreibt, wie Individuen ihre Lernprozesse und Verhaltensänderungen steuern. Universell bedeutet hier: allgemeingültig, auch unbewusst und unbeabsichtigt wirksam. Balance bezieht sich auf den Ausgleich des Missempfindens, das sich einstellt, wenn Wahrnehmungen von den gewohnten Vorstellungsbildern abweichen.
Das zweite universelle Balance-Gesetz begegnete mir leider erst nach meinem Ausscheiden aus dem Schuldienst, während des Gerontologie-Studiums, das "Gesetz der lebenslangen Entwicklung" von Paul P. und Margret M. Baltes. Dieses öffnete mir die Augen dafür, wie wichtig es ist zu erkennen, dass sich Kindheitsvorstellungen vom Alter und Altern in Form von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen auf das eigene Altern auswirken können, dass es wichtig ist, die eigene Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen und bei allem Wandel, Herr seiner Entwicklung zu bleiben.
Welches Bild die heutige Gesellschaft jungen Menschen über das Alter vermittelt, wird am besten durch die Darstellung der zwei Alten deutlich, die gemeinsam auf einem Bänkle sitzend in den Sonnenuntergang schauen. Der Betrachtende sieht die beiden von hinten, damit er sich mit der Wahrheit des hohen Alters nicht beschäftigen muss: Auf das Nachlassen der biologischen Kraft folgt die zunehmende gesellschaftliche Entpersönlichung. Das war schon bei den Alten Römern so. Doch muss es immer so bleiben?
Beide genannten Balance-Konzepte bilden die Grundlage meiner Beratungs- und Förderangebote, weil sie mit erstaunlicher Einfachheit darstellen, wie Individuen über die Lebensspanne sich selbst regulieren. Gerade in Bezug auf die vorgesehene Zielerreichung, sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Privatleben müssen Analysen, Maßnahmen und Kontrollen immer beides im Blick behalten: den sachstrukturellen Entwicklungsstand (was schon erreicht ist) und den Stand der Selbstregulations-Fähigkeit (wie ich mir selbst weiterhelfen kann). Bezüglich des zweiten Punktes können ältere Menschen viel Erfahrung einbringen.
Margit Bockstaller
~ Beraterin/Coach ~
Stärken entdecken, benennen
und ausarbeiten
Ein neues Verhalten trainieren
und anwenden
Mehr Wohlbefinden
und Leistungssteigerung